Balken auf der Streckbank

…oder wie sich die Schottischen Torries gegen ein neues Unabhängigkeitsreferendum aufplustern

Flyer der schottischen Torries
Flyer der schottischen Torries /via Juliet Swann (@muteswann auf Twitter)

Wie spätestens seit Brexit-Kampagne wissen, nutzen die Politiker auf der Insel gerne fragwürdige Statistiken und Zahlenspielereien als Wahlkampfmunition. Gerade liefern die schottischen Torries in einem Wahlkampf-Flyer mal wieder ein anschauliches Beispiel dafür, welches Manipulationspotential in simplen Balkendiagrammen steckt.

Mit wenig Skrupel und einer sehr großzügigen Abschätzung der Balkenlängen, ist es kein Problem, die 28% der Konservativen fast drei mal so hoch erscheinen zu lassen wie die 14% der Labor-Party, während die 47% der mit Abstand führend Scottish National Party plötzlich in erreichbare Nähe rücken.

Dieser (sagen wir mal) kreative Umgang mit Statistik scheint bei den Torries gerade Konjunktur zu haben. Jedenfalls hat BuzzFeed noch weitere Balkenschiebereien entdeckt.

Die Kurve kriegen…

…oder wie sich der Spiegel eine Statistik verbiegt.

Ja, Balkendiagramme sind langweilig. Aber Balkendiagramme funktionieren. Und das sollte bei Infografiken eigentlich eine Grundanforderung sein.

Was passiert, wenn man schnöde Balkendiagramme unbedingt etwas spannender machen möchte und dabei die geometrischen Grundlagen vernachlässigt, kann man im aktuellen Spiegel beobachten. Dort findet sich auf Seite 91 die folgende Infografik:

Infografik: Sportvereinsmitgliedschaften in Deutschland

Inhaltlich geht es darum, wie viele Menschen sich in den einzelnen Bundesländern in Sportvereinen engagieren. Und auch wenn die glorreichen Zeiten, in denen es an der Saar sogar eine eigene Fußball-„Nationalmannschaft“ gab, schon lange vorbei sind, kommen die aktuellen deutschen Sportvereins-Meister wohl aus dem Saarland. Dort ist jeder Dritte in einem Verein aktiv, während man in Brandenburg offensichtlich nicht so viel von Vereinsmeierei, Sport, oder beidem hält.

Die Sortierung des Spiegel
Die Sortierung des Spiegel

Zur Visualisierung dieses Sachverhalts wählte man beim Spiegel ein um die Kurve gebogenes Balkendiagramm, das in Form und Farbigkeit wohl an die gebogene Tartanbahn eines Leichtathletikstadions erinnern soll. Die darzustellenden Prozentwerte wurden dabei so im Winkel abgetragen, dass 100% einen vollen Kreis ergeben würde. Die höchsten Werte wurden auf die Außenbahnen verlegt, während sich die „unsportlichen“ Bundesländer auf der Innenbahn wiederfinden.

Leider haben die Grafiker des Spiegels in ihrer Begeisterung für diese Metapher übersehen (oder ignoriert), dass diese Darstellungsart zu einer enormen Verzerrung der Darstellung führt. Und dass das ist nicht nur ein optisches Problem ist, sondern die Aussage der Grafik komplett manipuliert, erkennt man sofort, wenn man die Reihenfolge der Balken einfach mal umdreht:

Plötzlich schrumpft der Unterschied zwischen den verschiedenen Balken merklich zusammen, weil sich die nach außen steigende Vergrößerung des Umfangs und die nun nach innen steigenden Werte praktisch ausgleichen. Wie die Vergleichsgrafik mit exakt gleich langen Bahnen zeigt, führt das in diesem Fall sogar dazu, dass die 13,2% des unsportlichsten Landes ziemlich genau so lang abgebildet werden, wie die 37,5% des sportlichsten. Der Umfang wächst eben proportional zum Radius.

Startpositionen des 400m-Laufs
Startpositionen eines 400m-Laufs

Natürlich gibt es für dieses Problem eine Lösung . Wie jeder weiß, der schon mal im Sportunterricht eine 400m Stadionrunde hinter sich bringen durfte, kompensiert man die unterschiedlichen Bahnlängen in der Leichtathletik durch versetzte  Startpostionen. Leider führt das dazu, dass die Zuschauer eines solchen Rennens kaum noch ausmachen können, wer sich gerade in Führung befindet. Es ist wirklich ziemlich unanschaulich und die unterschiedlichen Startpositionen nivellieren sich erst beim Einbiegen auf die Zielgerade. Erst dann wir für jeden sichtbar, wer gerade das Rennen macht.

Da es bei solchen Diagrammen vor allem um eine leichte Vergleichbarkeit der Werte gehen sollte, wäre es wohl keine so gute Idee, die Balken auf unterschiedlichen Höhen starten zu lassen – bloß um weiter mit dieser Kurve arbeiten zu können.

Stattdessen landet man schnell wieder bei einem klassischen Balkendiagramm, das eine saubere und vergleichbare Abbildung der Werte gewährleistet:

Ein Balkendiagramm
Ein Balkendiagramm – einfach aber korrekt

Der zuständige Redakteur wird nun (zu Recht) einwenden, dass das doch etwas gewöhnlich aussieht. Aber es gibt ja auch noch andere Möglichkeiten eine Diagramm interessant zu gestalten ohne gleich zu einer Darstellungsart zu greifen, die der Grundaufgabe nicht mehr gerecht wird…

Wie wäre es z.B. mit stilisierten Sprintern, die auf einer geraden Bahn die Positionen der verschiedenen Länder symbolisieren?! …oder mit einer Schlange von Marathonläufern in der Länge dieser Balken?! Auch mathematisch korrekte Lösungen dürfen kreativ sein…